Welcome to Scottland
Lange geplant, war es am 30.05. endlich soweit! Flug LH2524 (geflogen von Air Baltic), Reg. YL-ABU brachte Sandra und mich pünktlich von München nach Edinburgh. Zehn Tage Urlaub in Schottland sollten uns dieses Land näherbringen. Das Wetter – unplanbar! Eine Fahrt mit dem Hogwarts Express – vorab für den 01.06. gebucht! Hotels reserviert und ein voll elektrischer Mietwagen (BEV), waren die Eckpfeiler dieser besonderen Reise. Die Tagesplanung haben wir dann dem Wetter angepasst.
Die Strecke führte von Edinburgh über Fort William (3 Nächte), für eine Fahrt mit dem Jacobite Steam Train, über Inverness (4 Nächte) nach Glasgow (3 Nächte). Als wäre nicht alleine der Linksverkehr schon Herausforderung genug, so habe ich für diesen Urlaub ein reines Elektroauto gebucht. Und vielleicht als Entschädigung für ewig langes Warten am Mietwagenschalter bei Hertz am Flughafen, haben wir dann als „upgrade“ sogar einen größeren Wagen als vorgesehen, einen Toyota bZ4X, übernommen. Fast neu, mit 500 Meilen auf dem Tachometer und 84% Ladezustand, was einer Reichweite von ca. 210 Meilen entsprach, ging es am gleichen Tag in Richtung Fort William, dem Startbahnhof des Jacobite Steam Trains.
Exkurs – Elektromobilität in Schottland
Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass sich meine Erfahrungen die ich in diesem Bericht schildere, rein auf Schottland beziehen. Inwieweit sich das auf Großbritannien übertragen lässt, kann ich nicht sagen.
Schon im Vorhinein hatte ich mich im Internet über Ladestationen in Schottland informiert. Unweigerlich stößt man dabei auf den Anbieter „Charge Place Scottland“ (CPS), der aus meiner Perspektive das beste Ladenetz mit einer online Karte für alle Ladesäulen inklusive Ladeleistung und aktueller Verfügbarkeit anbietet. Ich war also „gebrieft“. In der Tat wurde mir bei der Anmietung des Autos am Flughafen vom Vermieter Hertz auch eine Flatratekarte für CPS zu einem Preis von 15 Pfund/Tag angeboten. In Summe 150 Pfund bei 10 Tagen zzgl. Steuern. Trotz anfänglicher Zweifel hat sich diese Karte dann aus zwei Gründen als Glücksgriff herausgestellt. Bei unserer Fahrleistung hätte ich bei individueller Abrechnung deutlich mehr gezahlt. Zum Zweiten war das Starten des Ladevorgangs an jeder Ladesäule mit der Karte absolut einfach.
Die Karte hat mich an jeder Ladesäule sofort identifiziert und unproblematisch den Ladevorgang gestartet. Das Ladenetz von CPS ist meiner Meinung nach sehr gut ausgebaut und wir hatten nie Probleme eine freie Ladesäule zu finden. Die maximale Ladeleistung war stationsseitig, im günstigsten Falle, auf 55 kW begrenzt. Der Toyota könnte laut Spezifikation maximal mit 150kW laden. Da ist bei den Säulen also noch Luft nach oben. In der Tat ist es aber so, dass die Momentanladeleistung über die gesamte Ladedauer zum Schutz der Batterie, degradiert wird. Bei 80% Füllstand hat der bZ4X nur noch mit rund 17 kW geladen.
Fun fact – Wer denkt sich eigentlich so idiotische Namen wie bZ4X für ein Auto aus? Sieht eher aus wie der Anfang eines guten online Passworts. Sie wissen schon: Zahlen – Buchstaben – Groß-/Kleinschreibung. Fehlt nur noch das Sonderzeichen.
Die Ladezeit war an vielen Ladestationen auf max. 45 Minuten begrenzt, was uns in der Regel ein Aufladen von ca. 20% auf 80% ermöglichte. Jede Minute, die die Ladezeit überschritten wird, schlägt mit 3 Pfund zu Buche! Zu 100% habe ich den Wagen daher nie aufgeladen. Aber auch für die Rückgabe des Leihwagens reichte vertragsgemäß ein Füllstand >= 80% aus.
Tja – und dann sitzt man da. Das Auto lädt – man selber versinkt in einer Lethargie aus Langeweile. Nein, ich finde es nicht spannend Spiele auf dem Smartphone zu spielen. Und YouTube Videos auf den kleinen Displays ohne Soundsystem machen auch keinen Spaß. Zwangspausen, in denen ich mir meinen Diesel gewünscht hätte, der sich in 4 Minuten mit 900 km Reichweite befüllen lässt und ebenfalls bis zu 90%, dank HVO100, CO2 neutral fährt.
Die durch die Ladestationen begrenzte Standzeit von 45 Minuten reicht nicht einmal für ein entspanntes Abendessen. Also haben wir täglich gefühlte Ewigkeiten (1 Stunde) an Ladestationen verbracht und auf den Smartphones Nachrichten gelesen. In Summe habe ich vermutlich ca. 6 Stunden während des Urlaubs an den Ladestationen verbracht.
Lochalaine
Unser Hotel für die ersten drei Nächte befand sich in Lochaline, nur 40 Meilen entfernt von Fort William. Dieses Hotel habe ich wohl in einem Anflug von brachialer Romantik verbunden mit einer Einsamkeitsdepression und Dagobert Duck’scher Knauserigkeit ausgewählt. Verträumtes Nest wäre zu viel des Lobes für diesen Ort. Geschlagene 1 Stunde und 30 Minuten benötigt man von diesem Loch nach Fort William. Google Maps wusste es schon vorher 😉. Lochaline lässt sich über exakt zwei Wege erreichen: Mit Hilfe einer Autofähre oder über eine einspurige Straße, die ungefähr bei Strontian beginnt und dann 18 Meilen (29 km) nach Süden führt. Diese einspurigen Straßen sind in Schottland weit verbreitet. Zum Ausweichen bei Gegenverkehr oder zum Überholen haben diese Straßen alle 200 bis 400 Meter eine kleine Ausbuchtung, ja nach Gelände mal rechts mal links. Neben diesen gewöhnungsbedürftigen Pfaden, auf denen der Schotte gerne wie Nigel Mansell persönlich fährt, muss man auch noch auf Schafe aufpassen, denn einige Straßen führen durch Open Range Gebiete. Unserem japanischen Samurai, mit dem passwortverdächtigem Namen, ist indes nichts passiert, weder hier, noch auf den restlichen verträumten Highland Speedways.
Lochaline – ein Fähranleger, ein Hotel und – eine Ladestation 😊 Ok, die Ladestation mit Ihren 22kW maximaler AC Ladeleistung können wir mal getrost vergessen. Aber das Lochaline Hotel ist eine Empfehlung! Ein urgemütliches kleines Hotel direkt am Wasser, familiengeführt, ruhig und ein klasse Frühstück. Ideal für Touren zwischen dem Loch Sunart, Loch Linnhe und dem Sound of Mull. Der Hausherr ist begeisterter Wildlife Photograph und gibt Tipps zu Tiersichtungen. Erste Impressionen gibt es auf der Webseite des Lochaline Hotels.
Abendstimmung am Lochaline Hotel. Wir hatten echt Glück mit dem Wetter und konnten den Abend am Wasser mit einer Brotzeit ausklingen lassen.
Insider Tipp: Die Anfahrt von Norden kommend kann über die A884 – Inversanda, Achnalea, Strontian mit der Ladestation, Achleek und Liddesdale erfolgen. Dies ist wohl der schnellere Weg. Schöner ist aber die Strecke über die B8043 – Inversanda, Kilmalieu und Glengalmadale. Eine traumhafte Strecke, teilweise direkt an der Steilklippe zum Loch Linnhe vorbeiführend. Die folgenden Bilder sind dort entstanden.
Am nächsten Tag zeigt sich das Wetter etwas durchwachsen. Graue Wolken ließen jederzeit Regen erwarten, der aber zum Glück nicht fiel. Wir verbrachten den Vormittag in Fort William: Das Auto wurde geladen, ein Parkplatz für den kommenden Tag für die geplanten Reise mit dem Hogwarts Express wurde ausgekundschaftet und ein paar Einkäufe im Supermarkt wurden erledigt. Danach ging es dann auf sightseeing Tour zum berühmten Glenfinnan Viadukt.
National Trust for Scotland
Insider Tipp: Der Jacobite Zug selber lässt sich beim Überqueren der Glenfinnan Brücke nicht vom Zug aus fotografieren. Die Fenster lassen sich nicht öffnen und sind zudem verdreckt. Das Zugpersonal achtet außerdem darauf, dass die Bereiche zwischen den Waggons, wo sich die Fenster öffnen ließen, nicht beteten werden. Deswegen muss man für Aufnahmen mit dem Auto zum Glenfinnan Viadukt fahren und am besten auf den kleinen Berg hinter der Brücke steigen. Dazu müssen zwei Dinge passen: Das Wetter und der Fahrplan des Zuges. Während wir dort waren, war der Betrieb des Jacobite leider eingeschränkt, und es fuhr nur das vormittags Zugpaar.
Wir wollten dort nicht so lange bleiben und auf die Rückkehr des Zuges aus Mallaig warten. Der Ort war auch sehr von Touristen überlaufen. Stattdessen sind wir weiter zum „Loch-Nan-Uamh Viaduct“ gefahren, wo mir die folgende Aufnahme vom Jacobite gelang. Leider hat das Wetter nicht so ganz mitgespielt.
Insider Tipp: Wer den Zug mit der Lok in Fahrtrichtung fotografieren möchte, muss den Zug auf der Strecke Fort William – Mallaig abpassen. Auf dem Rückweg fährt die Lok rückwärts, wie auf meinem Bild zu sehen ist.
Nächster Stopp, die spektakulär gelegene Ruine von Tioram Castle (siehe dazu auch das Video im nächsten Berichtsteil):
Der Jacobite Dampfzug aka. Hogwarts Express
Um es gleich vorwegzunehmen, unser Zug ging nicht von Gleis 9 ¾, allerdings waren, der Kleidung nach zu urteilen, gleich mehrere „Harry Potter“ im Zug. Wir sind aber auch nicht von „King’s Cross“ gestartet. Der Jacobite verkehrte von Fort William nach Mallaig und zurück, und das aufgrund betrieblicher Probleme auch nur einmal am Tag. Glücklicher Weise hatte ich online die nicht stornierte vormittags Verbindung gebucht. Unter blauen Himmel dampfte unser Zug pünktlich um 10:15 Uhr in Fort William ab.
Insider Tipp: Für den Photographen unter uns lohnt die Mitfahrt nicht. Die besten Bilder entstehen an der Strecke oder am Bahnsteig, der sich in Fort William allerdings nur mit einer gültigen Fahrkarte betreten lässt. Aus den Fenstern kann man nicht fotografieren, da diese zu „dreckig“ sind. Für Smartphone Bilder reicht es aber. Ich lehne es ja prinzipiell ab, durch Fenster/Glasscheiben zu fotografieren.
Die Fahrt dauert knapp 2 Stunden und 15 Minuten. Gemütlich, mit zwei Stopps vor der Glenfinnan Brücke und an der Glenfinnan Station. Den Halt in Mallaig nutzten wir für meine erste Portion Fish&Chips und für eine kleinen Rundgang durch die Hafenstadt.
Um 14:10 Uhr ging es dann wieder zurück nach Fort William. Die Zeiten müssen unbedingt eingehalten werden, denn auf dieser Strecke verkehren auch die regulären Züge zwischen den beiden Orten. Wer etwas Geld sparen möchte, kann somit auch den Regionalzug nutzen. Denn ganz ehrlich, von der Dampflok als Zugfahrzeug bemerkt man während der Fahrt wenig und die Wagen der Standardklasse sind innen auch nichts Besonderes. Die vorbeiziehende Landschaft bietet dafür umso mehr und macht die Fahrt mit dem Jacobite zu einem besonderen Erlebnis.
Steam Art
Fish and Chips
Was bei einem Besuch in Schottland natürlich dazugehört, ist eine Portion „Fish & Chips“. Ich hatte während unserer 10 Tage gleich mehrfach die Gelegenheit dazu 😊